Ein Hotel in Erlangen hinterlässt klimapositive Spuren. Und setzt unter seinem jungen Direktor Ben Förtsch auch sonst echte Maßstäbe in Sachen Nachhaltigkeit.
Warum so grün, Luise?
Manchmal wundert Ben Förtsch sich ja über sich selbst. „Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, nicht so ein Öko zu werden wie meine Eltern.“ Er lacht. „Aber inzwischen habe ich sie längst überholt!“ Schon die Eltern Förtsch hatten den 1956 eröffneten Familienbetrieb umweltfreundlich geführt. Ben, die dritte Generation in der „Luise“, legte noch mal ordentlich was drauf. Auslöser war sein Schulaustauschjahr in der Natur von Neuseeland. Er habe damals verstanden, erzählt er, dass die Welt zu schön sei, um sie unter dem Klimawandel leiden zu lassen. Seit 2014 ist Ben Förtsch Geschäftsführer des Creativhotels Luise – und setzt seitdem ganz auf eine maximal nachhaltige Form der Hotellerie.
Das Creativhotel Luise liegt am Rand des Erlanger Zentrums. Das Headquarter von Siemens Healthcare ist gleich um die Ecke. Vor Corona checkten zu 80 Prozent Geschäftsreisende ein, mittlerweile verwandelt Förtsch das Haus in ein Stadthotel für Gäste, denen umweltbewusstes Leben wichtig ist – egal, aus welchen Gründen sie nach Erlangen reisen. Einen ersten Eindruck erhält der Gast schon von außen: Auf dem begrünten Flachdach wächst eine Kiefer neben einem Glashaus. Die Fassade dahinter ist holzverkleidet.
Neutral ist banal. Positiv ist besser!
2015 hinterließ das Creativhotel Luise als erstes Hotel einen positiven CO2-Fußabdruck, band also mehr CO2, als es ausstieß. Klimaneutral – also ohne Fußabdruck – ist die „Luise“ sogar schon seit 2010. „Aber neutral, das ist ja nichts“, lächelt der junge Hotelier. „Die kommenden Generationen sollen doch von unserem Handeln profitieren. Und das ist nur der Fall, wenn wir mehr CO2 kompensieren, als wir ausstoßen.“
Der Weg dorthin führt in der „Luise“ erst über die maximale Einsparung, dann folgt die Kompensation des CO2, das sich nicht wegsparen lässt. „Emissionen, Abfallproduktion und den Einsatz von Wegwerfartikeln halten wir so niedrig wie möglich“, berichtet Förtsch. „Wir recyceln selbst, arbeiten nur mit Mehrwegverpackungen, geben aussortierte Möbel oder Wäsche an Sozialprojekte weiter.“ Damit folgt das Hotel dem „Cradle-to-Cradle“-Prinzip, dem Ideal einer Kreislaufwirtschaft, in der Materialien immer wieder neu verwendet werden können.
CO2 wird großzügig gemessen – und überkompensiert
Die Zertifizierung des Hotels erfolgt durch Viabono, eine unabhängige Organisation, die speziell für die Reisebranche die Nachhaltigkeit von Unternehmen misst. Kriterien sind Kennzahlen zu Endenergie, CO2, Wasser und Restabfall. Auch der Bezug von Bio-Produkten, solchen aus der Region und aus Fair Trade wird vorausgesetzt.
Ihre CO2-Emissionen berechnet die „Luise“ nach Scope 3 des internationalen Berechnungstools Greenhouse Gas Protocol. Scope 3 befasst sich mit Emissionen, die z. B. bei Reisen, Wareneinkauf, Warenverwendung, Dienstleistung und Abfallentsorgung anfallen. Dadurch können Problemstellen in der Lieferkette aufgedeckt und vermieden werden. Fast jedes Detail im Hotel wird auf seine CO2-Produktion hin überprüft – von der Anfahrt der Mitarbeiter bis hin zu Schnittblumen – und fließt in die Gesamtrechnung ein. Damit auch garantiert alles abgedeckt ist, schlägt Viabono auf die Gesamtsumme noch einen Risikozuschlag von 20 Prozent drauf. Damit steht der CO2-Fußabdruck der „Luise“ fest – er beträgt aktuell ca. 11,7 Kilogramm CO2 pro Übernachtung. Diesen Fußabdruck kompensiert das Hotel durch Zahlungen an ein Wiederaufforstungsprojekt in Panama.
Bei uns kannst du herrlich schlafen, essen und endlos duschen, aber ohne schlechtes Gewissen. Du tust sogar was für die Umwelt. Du bist ein Held!
„Aber wir kompensieren nicht nur, wir überkompensieren sogar um zehn Prozent“, so Förtsch. Dieser Schritt ist es, der die Klimaneutralität in einen klimapositiven Fußabdruck verwandelt. Deswegen, aber auch wegen seiner Nachhaltigkeitsphilosophie wurde das Hotel in die Kooperation „Klima-Hotels“ aufgenommen – als eines von aktuell neun Unterkünften in ganz Deutschland.
Förtsch betont, dass Klimapositivität, Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft für Gäste kein bisschen Verzicht auf Komfort bedeuten. Geflickte Bettwäsche und Funzelleuchten auf dem wackelnden Flohmarkt-Nachttisch? Davor muss sich in der „Luise“ niemand fürchten. Stattdessen dürfen sich Gäste auf „Nachwachsende Hotelzimmer“ freuen. Diese Zimmer haben Böden aus recycelten Fischernetzen; Wände und Decken sind aus Holz und Strohbauplatten, die Betten aus Naturkautschuk, Algen- und Kokosfasern. Die NASA-Astronautendusche im Bad verbraucht gegenüber herkömmlichen Modellen 90 Prozent weniger Wasser und 80 Prozent weniger Energie. Sauber und erfrischt kommen die Gäste trotzdem heraus. Genau das will Förtsch seinen Gästen auch kommunizieren. „Die Botschaft ist: Bei uns kannst du herrlich schlafen, essen und endlos duschen, aber ohne schlechtes Gewissen. Du tust sogar was für die Umwelt. Du bist ein Held!“ Das könne eine starke Gratifikation sein für Gäste.
Altes Plastik? Oft die nachhaltigere Lösung
Klar, dass beim Hotelfrühstück „Zero Waste“ anfällt. Keine einzige Plastikverpackung steht auf dem Büfett, dafür Bio- und fair gehandelte Produkte. Der Honig stammt von hoteleigenen Bienenstöcken. Aber Moment mal – da steht ja eine Plastikphysalis in der Vase! Der Hotelchef lächelt. Nachhaltigkeit bedeute nicht zwangsläufig, Altes wegzuwerfen und durch Neues mit Nachhaltigkeitssiegel zu ersetzen. „Bei uns ist nicht alles nagelneu. Aber deshalb werfen wir das nicht weg. Die nachhaltigste Lösung ist halt nicht immer die attraktivste.“
Förtsch gärtnert gerne und hat im Hotelgarten Apfel- und Birnbäume gepflanzt. Neulich habe ein Rezensent kommentiert, dass der Garten „mal wieder gemacht“ gehörte, erzählt er. Es war Herbst, im Garten lag Verwelktes. Aus gutem Grund: Die Tiere sollten die letzten Samen und Früchte für den Winter einsammeln können. „Das ist nichts Negatives“, sagt der Hotelier. „Es braucht aber die richtige Brille, damit ein Gast so etwas erkennen kann. Oder eben die Begegnung mit uns, die wir das dann erklären.“
Sein Tipp für Kollegen: einfach den ersten Schritt gehen
Und wie geht es weiter? Ben Förtsch will das Kreislaufprinzip weiter ausbauen. Die „Luise“ soll ein „zirkuläres Hotel“ werden. Schritt für Schritt geht es auf diesem Weg voran: Das Gartenlaub soll nicht mehr in die Biotonne, sondern als Humus den Boden im Garten nähren, in dem dann wieder mehr wächst. Die Küche soll bald ohne Plastik auskommen. Wenn er das Kreislaufkonzept auch im sozialen Bereich ins Rollen bringen könnte, würde sich für Förtsch ein Traum erfüllen. „Schön wäre es, wenn die Kinder unserer Mitarbeiter*innen irgendwann auch hier im Hotel anfangen. Oder wenn auch mal die Großeltern vorbeischauen mit ihrem Wissen und ihrer Erfahrung." Seinen Hotelierskolleg*innen, die auf Nachhaltigkeit und Klimapositivität umstellen wollen, rät er, nicht radikal alles umzuwerfen, sondern mit einem einzigen, deutlichen Schritt zu beginnen. „Alles andere ergibt sich dann von alleine. Und braucht ein bisschen Zeit. Aber mit dem Anfangen darf man nicht mehr warten, denn die Zeit läuft uns davon.“
Weitere Informationen zum Creativhotel Luise finden Sie hier.